Lichenophanes varius

Frisch, Johannes, 2019, Die Käferfauna des Naturschutzgebiets Haimberg bei Mittelrode und angrenzender Flächen (Insecta, Coleoptera), Beiträge zur Naturkunde in Osthessen 55, pp. 47-130 : 78

publication ID

https://doi.org/10.5281/zenodo.15238182

DOI

https://doi.org/10.5281/zenodo.15257218

persistent identifier

https://treatment.plazi.org/id/E8618792-FFDA-FFB1-52DB-5646FF4078C9

treatment provided by

Carolina

scientific name

Lichenophanes varius
status

 

Lichenophanes varius View in CoL ( Bostrichidae, Abb. 48)

galt lange Zeit als in Mitteleuropa äusserst seltene Urwaldreliktart. Der expansiv holomediterrane Bohrkäfer ist durch das westpaläarktische Arboreal bis zum Ural und Turkmenistan bekannt (vgl. BOROWSKI 2007: 322, NAGEL 1971: 25, 26) und wurde in Deutschland nur im RheinMain-Gebiet und Mecklenburg-Vorpommern häufiger nachgewiesen (vgl. BLEICHet al. 2019). Im 19. Jahrhundert wurde L. varius bei Darmstadt (KLINGELHÖFFER 1843: 86) und Frankfurt am Main (VONHEYDEN 1883: 117, 1904: 239) gefunden. SCRIBA (1865: 48) bezeichnete ihn als „Im ganzen Gebiet [Grossherzogtum Hessen] verbreitet, aber nirgends häufig.“ Nach den Funden im 19. Jahrhundert galt die Art im westlichen Deutschland als verschollen, bis sie bei Ortenberg im südwestlichen Vogelsberg wieder entdeckt wurde (SCHÜRMANN 1968: 199). Gegenwärtig ist L. varius im südlichen Hessen nicht selten. Eine Zusammenstellung der bis dahin bekannten hessischen Funde legte BRENNER (2003d: 385, 386) vor. Jüngere Meldungen stammen aus Kelsterbach (BRENNER 2005: 10), Gernsheim, Weiterstadt (BRENNER 2007: 62), Griessheim (BRENNER 2005: 10, 2007: 62), Lampertheim (BRENNER 2008: 67, 2011: 36), Gross-Gerau (BRENNER 2006: 52, 2007: 62), Darmstadt (BRENNER 2011: 36, 2017: 16), Seeheim-Jugenheim (BRENNER 2011: 36) und dem Naturwaldreservat Kinzigaue bei Erlensee (KÖHLER 2014: 51). Im Norden ist L. varius bis Mittelhessen (Wetzlar) nachgewiesen (BRENNER 2017: 16). Biologie und Habitatbindung des L. varius wurden von MUSCARELLAet al. (2013: 457, 458) ausführlich diskutiert. Demnach findet die Larvalentwicklung der saproxylophagen Art in abgestorbenem, festem Holz einer Vielzahl von Laubgehölzen statt, bevorzugt in sonnenexponierten, randständigen Bäumen. In Mitteleuropa ist Fagus sylvatica der bevorzugte Brutbaum. Nach KLINGELHÖFFER (1843: 87) sind „Rothbüchenbäume welche am Rande der Wälder recht luftig und sonnig stehen, […] seine Heimat und oft in grosser Zahl von ihm besetzt“. VON HEYDEN (1883: 117) zog die Art auch aus Eiche. HORION (1961: 82) bezeichnete L. varius als ein Relikt urständiger Wälder mit langer Waldtradition, was NAGEL (1971: 25, 26) jedoch widerlegte. Die seltene Art wurde zwar wiederholt in urständigen Waldgebieten nachgewiesen, so bei MörfeldenWalldorf (BRENNER 2003c: 125, 132; 2003f: 55), im Gross-Gerauer Forst (BATHON 1991: 11; BRENNER 2006: 52, 2007: 62) oder im NSG Kühkopf-Knoblochsaue (BOUWER 1979a: 3, ELBERT 1994: 78, SCHÜRMANN & TÜRKEY 1978: 118), doch zeigen die Funde im Frankfurter Stadtwald (FLECHTNER 1999: 25, 2000b: 322) und auf dem Südwesthang des Haimbergs, dass die Art auch in Wäldern ohne längere Waldtradition vorkommt. MUSCARELLAet al. (2013: 247, 248) erklärten die Seltenheit des Käfers mit einer wahrscheinlichen Bindung an von Biscogniauxia nummularia befallene Bäume und das häufigere Auftreten in den letzten Jahren mit der Klimaerwärmung, die den Befall mit dem Rotbuchen-Rindenkugelpilz aufgrund von Trockenstress der Wälder begünstigt. Die Fundumstände auf dem Haimberg unterstützen diese Hypothese. Neben Einzelfunden an abgestorbenen Fagus sylvatica wurden mehrere Exemplare im unteren Stammbereich eines grossflächig von Biscogniauxia nummularia überzogenen Buchendürrständers gefunden, der durch zahlreiche Ausfluglöcher eindeutig als Brutbaum ausgewiesen ist ( Abb. 49 View Abb ). Lichenophanes varius entwickelt sich folglich nicht nur akrodendrisch im Kronenraum alter Rotbuchen, wie von MÖLLER et al. (2006: 146) beschrieben. Auf dem Haimberg wurde die Art nur im lichten, wärmebegünstigten Laubmischwald des Südwesthangs nachgewiesen, was mit dem Fehlen des im Wald des Haimbergs sonst allgegenwärtigen Fomes fomentarius an diesem lufttrockenen Standort zusammenhängen mag. Aufgrund der Bindung an hartes Totholz (MUSCARELLAet al. 2013: 457) kann L. varius das feucht-weiche, weissfaule Holz von Fomes fomentarius befallener Bäume offenbar nicht nutzen. Die Fundumstände am Haimberg unterstreichen, dass L. varius kein Urwaldrelikt ist, sondern in Mitteleuropa thermophil auf lichte, warme, lufttrockene Laubwälder angewiesen ist. Während BATHON (1967/1968: 24) L. varius bei Offenbach in der grössten Mittagshitze auf abgestorbenen Buchenstämmen laufend und kopulierend beobachtete, ist er KLINGELHÖFFER (1843: 86) und MUSCARELLAet al. (2013: 457) zufolge eine nachtaktive Art. FLECHTNER (1999: 25, 2000b: 322) und BRENNER (2003d: 386, 2017: 16) berichteten von nächtlichem Lichtanflug bei Frankfurt am Main und Wetzlar. Auf dem Haimberg wurde L. varius beim nächtlichen Ableuchten von abgestorbenen Fagus sylvatica nachgewiesen, nicht jedoch mit Eklektorfallen erfasst.

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